Am 8. Februar ist Götz Werner im Alter von 78 Jahren verstorben. Er und seine Frau Beatrice sind die Stifter der Götz Werner Professur.
Prof. Dr. Bernhard Neumärker erinnert sich an sein erstes Treffen mit Götz Werner und die rasante Entwicklung hin zur Gründung der Götz Werner Professur und des FRIBIS:
Götz Werner kam 2018 nach einem Vortrag auf mich zu, den ich über das Bedingungslose Grundeinkommen aus der Perspektive des Neuen Ordoliberalismus gehalten habe. Damals war nicht absehbar, welch unfassbare Impuls- und Sogkraft seine Förderideen entwickeln würden.
Zuerst wurde mit tatkräftiger Unterstützung des Rektorats die Götz Werner Professur für Wirtschaftspolitik und Ordnungstheorie eingerichtet. Im Anschluss wurden in einem energiegeladenen Gespräch mit Götz Werner und dem damaligen Rektor Hans-Jochen Schiewer der Aufbau und die großzügige Förderung des Freiburg Institute for Basic Income Studies beschlossen. Entstanden ist auf diesem Weg ein interdisziplinäres wissenschaftliches Institut, das die zivilgesellschaftlichen Akteure rund um das Grundeinkommen direkt mit einbezieht. Dank seines unermüdlichen und innovativen Einsatzes hat Götz Werner eine Lebensleistung vollbracht, von der wir im Institut und an der Professur erheblich profitieren und fortwährend lernen.
Ganz persönlich bin ich Götz Werner dankbar, dass er in der ordnungspolitischen Tradition der Freiburger Universität den Kern der Grundeinkommenserforschung gesehen hat. Ich empfinde es als unsere Aufgabe, die wissenschaftliche Forschung und gesellschaftliche Gestaltung rund um das Bedingungslose Grundeinkommen erfolgreich fortzuführen, und auf diese Weise Götz Werner zu gedenken.
Unternehmertum und bedingungsloses Grundeinkommen
Götz Werners unermüdlicher Einsatz für das Bedingungslose Grundeinkommen wurzelte in seinen «Evidenzerlebnissen» und Erfahrungen aus seiner unternehmerischen Tätigkeit. «Ihre Arbeit, und die Arbeit, die wir alle leisten», rief er den Zuhörern im Audi Max der Universität in Karlsruhe zu, «kann niemals bezahlt werden. Sondern ein Einkommen ermöglicht sie.» Arbeit und Einkommen getrennt zu sehen war für ihn ein notwendiger Schritt in unserer Zeit. Ideale und unternehmerische Praxis standen bei ihm nicht im Widerspruch. «Der Mensch ist nicht Mittel, sondern Zweck unserer Bemühungen», «Der Mensch ist das Ziel», Dies lebte bei den Mitarbeitenden der «Arbeitsgemeinschaft» dm durch vielerlei Maßnahmen im Unternehmen auf allen Ebenen und konnte auch von Kundinnen und Kunden in den Filialen erlebt werden.
In seinen letzten Lebensjahren äußerte er den Wunsch, dass «meine Ideen als Unternehmer und Verfechter des Bedingungslosen Grundeinkommens fortwirken und zu einer lebenswerten Welt beitragen.» Mit der Gründung der Götz Werner Professur und des FRIBIS hat er einen großen Beitrag dazu geleistet, dass andere in diesem Sinne seines Wunsches tätig werden können.
Bianca Blum, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der GWP, zu ihrem persönlichen Eindruck von Götz Werner:
Man sollte zwei Dinge im Leben tun: Das, was man gut kann und das, wofür man brennt. Götz Werner hat mit seinem Unternehmertum und seiner Arbeit am Grundeinkommen genau diese beiden Dinge vereint und erkannt, welche Wertigkeit es besitzt, sein Können und seine Leidenschaft zu vereinen. Mit seinem Leben und Wirken brachte er uns die Erkenntnis nahe, wie sinnstiftend und antreibend selbstbestimmtes Arbeiten ist. Ich bin sehr betroffen von seinem Tod. Ich habe Götz Werner als bewundernswerten Mann kennengelernt, der viele Werte in sich verkörpert, die auch ich teile. Ich bin stolz, dass wir an der Götz Werner Professur und dem FRIBIS nicht nur seinen Namen, sondern auch seine Werte weiterleben lassen können.
Enrik Lauer, GWP Mitarbeiter, war Ghostwriter des Buches «Einkommen für alle» von Götz Werner. `Zum Tode von Prof. Götz W. Werner‘ lässt er Erlebnisse und Ergebnisse aus der langjährigen Zusammenarbeit mit ihm noch einmal Revue passieren:
Tief betroffen erfuhr ich am frühen Abend des 8. Februar vom Tod Götz Werners.
Seit der Gründungsveranstaltung des FRIBIS hatten wir nicht mehr persönlich miteinander gesprochen, doch wusste ich von Freunden, dass es ihm gesundheitlich seit längerem nicht mehr sehr gut ging. Nun bin ich von Haus aus kein sonderlich spiritueller Mensch. Ideen von „Energien“ die sich – abseits rein physikalischer Phänomene – in Raum und Zeit verbreiten, leuchten mir noch am ehesten als literarische Metaphern ein. Doch mehren sich anscheinend in letzter Zeit die Versuche des Universums, mich vom Gegenteil zu überzeugen. Weshalb ich offen lasse, welche Energie mich am Sonntagnachmittag antrieb, noch einmal zur zweiten, stark überarbeiteten Auflage von Einkommen für alle zu greifen und die Einleitung zu lesen.
Schon bei der Formulierung der ersten Ausgabe des in nahezu allen Nachrufen erwähnten Buches im Jahre 2007 hatten ich und meine Kollegin Regine Müller Götz Werner redaktionell unterstützt. Bei der „Bewerbung“ um dieses Projekt (an dessen Realisierung damals drei oder vier Verlage interessiert waren) war alles völlig anders, als man das gemeinhin kennt. Da saß uns nicht etwa ein einzelner „Auftraggeber“ gegenüber, der uns, möglichst bei laufendem Tonband, haarklein erklärte, was da wie genau aufzuschreiben sei. Vielmehr empfing uns ein ganzes – soll ich sagen „beeindruckendes“ oder „einschüchterndes“? – Komitee, dem unter anderem Götz Werners jahrzehntelanger Freund und Berater Benediktus Hardorp, der Wirtschaftsmathematiker und Ökonom Wolfgang Eichhorn und einige andere angehörten.
Gewöhnlich wird man bei solchen Vorabtreffen erst mal ausgefragt, welche Qualifikationen und Erfahrungen man denn mitbringe, um für andere redaktionell in die Tasten zu greifen. „Unser“ Lektor Lutz Dursthoff hatte zudem alle zugkräftigen Argumente betreffs des guten Rufs und der Vertriebsstärke von Kiepenheuer & Witsch parat. Umsonst. Dass wir alle unser Handwerk verstünden, so Götz Werner zum Auftakt, sei eh klar. Ansonsten wären wir ja wohl kaum angereist. Ich hätte vermutlich weniger verlegen gegrinst, wäre mir schon damals eines seiner Lieblingszitate bekannt gewesen, das zwar nicht vom Freiherrn vom Stein, sondern von dessen Mitarbeiter Johann Gottfried Frey stammt, das aber so oder so eine tief verwurzelte Grundhaltung Götz Werners zum Ausdruck bringt: „Zutrauen veredelt den Menschen, ewige Vormundschaft hemmt sein Reifen.“
Sofort wurden wir stattdessen in eine angeregte Diskussion zu den Themen Grundeinkommen und Konsumsteuer verwickelt. Und wieder formulierte Götz Werner die meiste Zeit nicht etwa Thesen oder Meinungen. Er bat vielmehr uns, unsere Meinungen zu den Themen Grundeinkommen, Sozialstaat und Steuerwesen darzulegen – und stellte dann hauptsächlich Fragen. Und zwar eher Fragen im Stil der Queen. Anlässlich ihres 70. Thronjubiläums war ja in mehreren Artikeln zu lesen, dass Elizabeth II niemals, auch nicht in den wöchentlichen Treffen unter vier Augen, offen Missfallen an Meinungen oder Plänen ihrer Prime Minister äußere. Vielmehr sei der – allerdings unmissverständliche – Gipfel der Kritik die Frage „Are you sure?“
So ähnlich hielt es auch Götz Werner damals. So hat er es in den gut 15 Jahren unserer Zusammenarbeit gehalten. So hielt er es bei den vielen öffentlichen Vorträgen und Diskussionen, bei denen ich dabei sein konnte. Und so hielt er es wohl auch in nahezu allen geschäftlichen Angelegenheiten. Dass er die Frage mehr liebte als die Antwort, dass er das gemeinsame Bedenken einer Sache allen knackigen Thesen und schnellen „Lösungen“ vorzog, dies belegen sogar seine im Vergleich oft weniger beeindruckenden Interviews und seine kaum wirkmächtigen, ergo wenigen Auftritte in Talkshows. Die Presse und erst recht das Fernsehen verlangen und prämieren halt ausschließlich gestanzte Formeln. Ja, selbst Bücher bleiben Medien der Massenkommunikation. Zum Medium persönlicher Interaktionen zwischen Autor und Leser, zum lebendigen Austausch beider Ideen und Gedanken werden sie nur, wenn Leser*innen sie befragen – und sich von ihnen befragen lassen.
Sehe ich vom Hauptnahrungsmittel des Akademikers – eben den Büchern – ab, dann hat mich niemand, den ich im Laufe meiner nun auch schon 60 Lebensjahre kennenlernen durfte, mehr und öfter zum Nachdenken gebracht als Götz W. Werner. Mit seinen geliebten „Impulsfragen“. Mit seinen freundlichen Ansinnen, sich eine Sache nochmal zu überlegen. Mit seinen nonchalant beiläufigen Lektüreempfehlungen. Und mit seinen, wenn überhaupt, dann meist listig, niemals aber besserwisserisch vorgebrachten Einwänden. Für mich war und bleibt Götz Werner ein herausragender Bedenkenträger. Nicht im handelsüblichen, umgangssprachlichen, im wohlverstandenen Sinne des Wortes. Uns allen, die ein mehr oder minder eingefleischtes Faible für Antworten haben, wird er fehlen.
Was bleibt sind Texte. Befragen wir sie weiter. Und lassen wir uns vor allem von Ihnen befragen: Ob wir wirklich verstanden haben, warum Götz Werners Lebensthema BGE sich letztlich nicht denken lässt, wenn wir nicht verstehen, was „Gesellschaft als Zusammenhang des Füreinander-Leistens“ meint. Warum unter Bedingungen kompletter Fremdversorgung Arbeit und Einkommen zwingend voneinander getrennt werden sollten. Oder warum es manchen Befürwortern des BGE weiterhin schwerfällt, Kapital und Arbeit als schöpferische Kräfte, als Anwendung von Geist auf Natur zu verstehen. Ich fürchte, so manches von dem, was wir gegenwärtig an Forschung treiben, könnte dann nämlich wirken, als hätte man in der Spätantike versucht, die Sklaverei vor allem mit empirischen Studien über deren betriebswirtschaftliche Ineffizienz zu kritisieren.
Alexandra Pilyus, wissenschaftliche Mitarbeiterin der GWP, erinnert sich an die Gründung der GWP und des FRIBIS und wie sie Götz Werner erlebte:
Mein Weg mit der GWP begann schon bevor die Professur von Prof. Neumärker zur Götz Werner Professur wurde. Irgendwann begann das Thema des bedingungslosen Grundeinkommens wissenschaftliche Aufmerksamkeit in der Abteilung für Wirtschaftspolitik und Ordnungstheorie zu erlangen. Ich hatte das Glück, danach mitzuerleben, wie die GWP und das FRIBIS gegründet wurden: Es fühlte sich an wie eine Quelle, die zu einem riesigen, starken Fluss heranwachsen würde, der die gesamte Wirtschaft mit seinem mächtigen Wasser vorantreiben könnte. Ich erinnere mich noch an den Tag, an dem Prof. Neumärker mich einlud, an einem der ersten Treffen teilzunehmen, bei dem die ersten Projekte vorgestellt wurden. Götz Werner war dabei und hörte sich unsere Berichte aufmerksam an. An diesem Tag bekam ich ein überwältigend warmes Gefühl, dass Götz Werner mit dem BGE die Zukunft schenkt. Jede neue Person, die sich unserem Team anschließt, jede neue Gruppe, die gegründet wird, jede neue Institution, die auftaucht, jede neue Idee, die vorgeschlagen wird, erinnert mich an diese ersten Tage voller leuchtender Hoffnung auf eine bessere Zukunft der Menschheit. Angesichts der meist auf Missverständnissen beruhenden Ablehnung gegen das BGE und einer manchmal schmerzlichen Ignoranz gegenüber dem, was es in menschlicher Hinsicht für uns und unsere Gesellschaft bedeuten würde, fühle ich mich manchmal aber auch wie verzweifelt. In diesen dunklen Stunden erinnere ich mich dann an das Vertrauen, das Götz Werner in Prof. Neumärker und uns gesetzt hat, indem er sich entschied, die BGE-Forschung in Freiburg zu unterstützen – und das gibt einen Energieschub, um die Schwierigkeiten zu überwinden. Ich bin stolz darauf, Teil dieses Teams zu sein und die Möglichkeit zu haben, mit dem Segen von Herrn Werner zu etwas Großem beizutragen. Per aspera ad astra. Vielen Dank für alles und ruhe in Frieden, lieber Götz Werner.
Philip Kovce, Dorktorand an der GWP und langjähriger Begleiter von Götz Werner:
Ich verdanke Götz Werner in gewissem Sinne mein Erwachsenwerden. Irgendwie zwischen Marx und Schiller kommunistisch-idealistisch eingeklemmt und von einem scheinbar alternativlosen Tagespolitik-Opportunismus angewidert, erlebte ich gegen Ende meiner Schulzeit Mitte der Nullerjahre die Gedanken des selbsternannten «Realträumers» als doppelte Befreiung; als Befreiung aus der «Beispielfalle» und der «Abstraktionsfalle», wie Werner sagen würde.
In die realpolitische Beispielfalle tappt, wer aus tausend Gründen felsenfest davon überzeugt ist, dass das Gute nicht funktionieren kann. In die utopische Abstraktionsfalle tappt, wer sich in Wolkenkuckucksheimen haargenau ausmalt, wie das Gute funktionieren muss. Beides führt dazu, dass realutopische Initiativen als Lebenselixier freiheitlich-demokratischer Gemeinwesen gehemmt werden – einmal aus Fatalismus, einmal aus Fanatismus.
Die Art und Weise, wie der ebenso leidenschaftliche wie erfolgreiche Ruderer (1963 Deutscher Jugendmeister im Doppelzweier) diese Klippen der Versuchung umschiffte – schöpfend aus eigener Erfahrung und eigene Begriffe prägend –, begeisterte mich. Als Revolutionstheoretiker («Revolutionär denken!») und Evolutionspraktiker («Evolutionär handeln!») lud Werner die Zuhörer seiner freien Reden und die Leser seiner verdichteten Schriften stets zu Empirieexpeditionen und Evidenzdemonstrationen ein, die den Einzelnen letztlich auf sich selbst zurückführten, ja dem je individuellen Ich Selbstführung abverlangten – als Voraussetzung gelingender Zusammenarbeit. Werner war ein Vorführer der Selbstführung. Weiter lesen